Schweiz, Deutschland, Erbrecht, Herabsetzungsklage, Schlichtungsverfahren

Die Fälle mit internationalem Bezug nehmen ständig zu, wobei festzustellen ist, dass gerade bei deutschen Auswanderern elementare Unkenntnisse bestehen, was die erbrechtlichen Konsequenzen eines Wegzuges aus Deutschland in die Schweiz sein können, dies soll an folgendem Fall aufgezeigt werden.

Ein deutscher Staatsbürger unverheiratet, mit einem nichtehelichen Kind aus einer früheren Beziehung und einer neuen Lebenspartnerin zieht in die Schweiz. Er hat Vermögen (Geld – Immobilen) in Deutschland und in der Schweiz. Es liegt ein Testament vor, in welchem er seine derzeitige Lebenspartnerin zur Alleinerbin einsetzt.
Nach deutschem Recht steht dem Kind ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 50 % aus dem deutschen Nettonachlass zu.

Nach schweizer Recht steht dem Kind ein erbrechtliche Beteiligung von 75 % an dem Schweizer Nachlass zu, nach Erhebung der Herabsetzungsklage. Der Herabsetzungsklage ist ein Schlichtungsverfahren vorzuschalten.

Das in der Schweiz durchzuführende Schlichtungsverfahren ist keine freiwillige Angelegenheit, sondern es muss gem. Art. 197 ZPO durchlaufen werden, bevor die Herabsetzungsklage erhoben werden kann.

Nur in wenigen Fällen ist das Schlichtungsverfahren entbehrlich, so dass kein Schlichtungsverfahren vorauszugehen hat (Art. 198 ZPO):

  • bei einem summarischen Verfahren
  • bei Klagen über Personenstand
  • Scheidungsverfahren
  • Auflösung eingetragener Partnerschaft

diese Verfahren betreffen jedoch nicht die Herabsetzungsklage.

Auf das Schlichtungsverfahren kann ein Kläger einseitig im Bereich des Erbrechts verzichten gem. Art. 199 II ZPO, wenn

  • ein internationaler Sachverhalt vorliegt, insbesondere dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Ausland hat,
  • wenn der Aufenthaltsort des Beklagten unbekannt ist,

Die Parteien eines Rechtsstreits im Bereich des Erbrechts können gemeinsam auf das Schlichtungsverfahren verzichten, wenn der Streitwert wenigstens 100.000,- CHF beträgt gem. § 199 I ZPO. Der Verzicht hat in schriftlicher Form zu erfolgen.

Die Einleitung des Schlichtungsverfahren geschieht dadurch, dass der Anspruchsteller (Kläger) bei der örtlich zuständigen Schlichtungsbehörde ein schriftliches oder mündliches Schlichtungsgesuch gem. Art. 202 ZPO stellt. An das Schlichtungsgesuch sind relativ geringe formale Anforderungen zu stellen. Das Schlichtungsbegehren muss die Partei nennen,

ein Rechtsbegehren enthalten, d.h. einen Anspruch formuliert wie bei einem Klageantrag, wobei an die Formulierung keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Es muss nun klar sein, was der Antragsteller will,
den Streitgegenstand bezeichnen.

Erforderlich ist, eine kurze Sachverhaltsdarstellung um welche erbrechtlichen Ansprüche es geht.

In wenigen Fällen kann die Schlichtungsbehörde einen Schriftverkehr durchführen, um gegebenenfalls zu mehr Fakten zu kommen.

In den allermeisten Fällen wird zur Schlichtungsverhandlung durch die Schlichtungsbehörde vorgeladen, wobei den Parteien, die in Deutschland wohnen, vorgeschrieben werden kann eine in der Schweiz gelegene Zustellanschrift zu benennen, dieses Verfahren führt oftmals zum sofortigen Scheitern des Schlichtungsverfahrens.

Durch die Einreichung des Schlichtungsgesuches bei der Schlichtungsbehörde wird der Rechtsstreit (Klage) rechtshängig gem. Art. 62 ZPO.

Die Rechtshängigkeit hat die Konsequenz, dass bei keinem anderen Gericht zeitgleich hinsichtlich desselben Verfahrengegenstandes Gesuche/Klagen in der Schweiz eingereicht werden kann.

Die Schlichtungsbehörde lädt nach dem Erhalt des Schlichtungsbegehrens die Parteien zu einer mündlichen Schlichtungsverhandlung gem. 203 ZPO. Die Schlichtungsbehörde versucht in der Verhandlung die Parteien auszusöhnen.

Der Beklagte hat die Möglichkeit, in der Verhandlung ein Widerklagebegehren zu stellen, was nach dem deutschen Recht mit einer Widerklage zu vergleichen ist.

Damit die Schlichtungsbehörde einen Vergleichsvorschlag unterbreiten kann, nimmt sie eine erste rechtliche Einschätzung der Sach- und Rechtslage vor.

Die Verhandlung ist prinzipiell nicht-öffentlich, vergleichbar mit dem Mediationsverfahren bei den Landgerichten in Deutschland.

Prinzipiell ist es so, dass die Parteien persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen müssen. Es ist statthaft, dass sich die Parteien durch einen Rechtsbeistand begleiten lassen.

Wenn eine Partei nicht persönlich erscheint, dann muss der Vertreter insbesondere bevollmächtigt sein, auch einen Vergleich abzuschließen gem. 205 ZPO. Diese Vollmacht ist mit der Vollmacht gem. § 141 III ZPO deutsches Recht vergleichbar.

Sämtliche Ausführungen, die dann im Schlichtungstermin getätigt werden, sind vertraulich und können grundsätzlich später in einem Erkenntnisverfahren nicht verwendet werden gem. Art. 205 ZPO, sowie in Deutschland im Mediationsverfahren.

Das Schlichtungsverfahren hat mehrere Möglichkeiten des Abschlusses.

Es kann sein, dass der Kläger die Klage zurückzieht.

Der Kläger zieht die Klage unter Vorbehalt der Widereinbringung zurück.
Der Beklagte anerkennt die Klage vollumfänglich.
Die Parteien schließen einen Vergleich ab.

In Erbstreitigkeiten (oder auch sonstigen Streitigkeiten) bis 2.000,- CHF kann die Schlichtungsbehörde ein Urteil fällen. Bei Streitigkeiten bis 5.000,- CHF kann die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag unterbreiten.

Wenn der Beklagte der Schlichtungsverhandlung unentschuldigt fern bleibt, weil beispielsweise keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt worden ist, geht die Schlichtungsbehörde so vor, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre. Die Schlichtungsbehörde kann wie folgt gem. Art. 206 II ZPO vorgehen:

  1. Die Klagebewilligung ausstellen Art. 209 ZPO
  2. Einen Urteilsvorschlag machen Art. 210 ZPO
  3. Ein Urteil fällen auf Antrag des Klägers Art. 212 ZPO
    (bei Streitigkeiten 2.000,- CHF)

Die Klagebewilligung wird dann ausgestellt. Die Klagebewilligung ist Voraussetzung für die Einreichung einer Klage in der Schweiz.

Entscheidend für deutsche Staatsangehörige ist, dass in der Schweiz verlangt werden kann, dass gem. Art. 140 ZPO ein Zustellungsdomizil benannt wird.

Dies hat Auswirkungen dahingehend, dass wenn ein Zustelldomizil nicht benannt wird, die Schlichtungsbehörde eine Klagebewilligung ausstellen kann.