Lebensversicherungsvertrag, Nachlass, Pflichtteil, Pflichtteilsergänzungsansprüche, Rechtsprechung des BGH hierzu im Jahr 2010

Wenn der Erblasser Versicherungsnehmer einer kapitalbildenden Lebensversicherung und selbst versicherte Person war und zudem wirksam im Zustand der Geschäftsfähigkeit einen Dritten im Wege eines Vertrags zu Gunsten Dritter als Bezugsberechtigten eingesetzt hat, fällt die Lebensversicherungssumme nicht in den Nachlass.

Wenn der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person hinterlassen hat, ist zu prüfen, ob dieser Person ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus der ausgezahlten Lebensversicherungssumme zusteht.

Bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung kann ein Pflichtteilsberechtigter Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist der Verkehrswert der kapitalbildenden Lebensversicherung zum Todeszeitpunkt des Versicherungsnehmers, es ist nicht der Rückkaufswert und auch nicht die Versicherungssumme.

Unzutreffend sind Internetveröffentlichungen, die mit schlagwortartigen Bezeichnungen:

Der Lebensversicherungsvertrag im Nachlass ausführen, dass einem umgangenen Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich der bezahlten Versicherungsprämien zustehen würde, wobei die Summe der Prämienzahlungen der letzten 10 Jahre herangezogen werden soll.

Derartige Publikationen sind unzutreffend und entsprechen nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem April 2010.

Unzutreffend wird auch oftmals publiziert, dass wenn die Lebensversicherungssumme im Wege des Vertrags zu Gunsten Dritter auf den Bezugsberechtigten übergeht, dass hieraus immer ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen soll.

Dies ist falsch.

Nur dann, wenn es sich bei der Zuwendung um einen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall in Form einer Schenkung handelt, können überhaupt Pflichtteilsergänzungsansprüche hieraus resultieren. Wenn die Einräumung des Bezugsrechts jedoch einen entgeltlichen Charakter hat, wie Vergütung von Pflegeleistungen, Tilgung von Verbindlichkeiten, entsteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Weiterhin wird oftmals vergessen, in kurzgefassten Internetkolumnen darauf hinzuweisen, dass von dem dann geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2327 BGB sämtliche Eigengeschenke, die der Pflichtteilsberechtigte erhalten hat, hiervon in Abzug zu bringen sind, wobei hinsichtlich der Abzugsbeträge es keine Begrenzung auf 10 Jahre gibt.

Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die pflichtteilsergänzungsrechtliche Behandlung von kapitalbildenden Lebensversicherungen sich unterscheidet von Lebensversicherungen, die in Form der Risikolebensversicherung abgeschlossen worden sind.

Der Verkehrswert einer Risikolebensversicherung ist deutlich geringer als der Verkehrswert einer kapitalbildenden Lebensversicherung.

Zudem wird bei der Beratung bzw. Publikation oftmals übersehen, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch selbst dann bestehen kann, wenn der Abkömmling als Erbe eingesetzt worden ist. Er muss allerdings dann von dem Pflichtteilsergänzungsanspruch dasjenige abziehen, was er auf Grund der Erbfolge erhalten hat.

Dies sei nun an folgendem Beispiel erläutert:

Erblasser E, der verwitwet ist, setzt seine beiden Kinder A und B jeweils zu Erben je zu ½ ein, er verstirbt am 31.03.2011.

Im Nachlass befindet sich eine Immobilie mit einem Wert von 100.000,-. €.

Seine Lebensgefährtin ist Begünstigte aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Er wendet ihr die Lebensversicherung im Rahmen eines Vertrags zu Gunsten Dritter auf den Todesfall im Rahmen einer Schenkung zu. Die Lebensversicherung hat eine Lebensversicherungssumme, die zur Auszahlung kommt, von 500.000,- €, der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Auszahlung ist 400.000,- €.

Die beiden Kinder A und B haben nunmehr gegenüber der Lebensgefährtin einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung und zwar nicht in Höhe von je ¼ aus 500.000,- € und auch nicht in Höhe von je ¼ aus 400.000,- €, sondern es wird gerechnet wie folgt:

Hausverkehrswert 100.000,- + Verkehrswert Lebensversicherung = 500.000,- €. Hiervon ¼ 125.000,- € minus Nachlassbeteiligung 50.000,- €, Pflichtteilsergänzungsanspruch je Kind 75.000,- €. Die einzelnen Rechenschritte ergeben sich aus dem nachfolgenden Berechnungsmodell.

Download Berechnungsmodell (.pdf, 35 KB)

Weitere Berechnungsmodelle finden sich im Buch „Die Lebensversicherung im Erb- und Erbschaftssteuerrecht„, erschienen im Zerb-Verlag, Autoren Eulberg, Ott-Eulberg, Halaczinsky.