Vermächtnis – Vorausvermächtnis contra Teilungsanordnung

Testamente, in welchen Erblasser ihren Kindern Vermögenswerte zukommen lassen und dabei folgende Formulierungen verwenden, kommen immer häufiger vor:

1. Formulierungsbeispiel (schlechte Formulierung):

Mein Testament

Mein Sohn Tobias erbt das Haus in Augsburg, mein Sohn Rufus erbt das Appartement in München und meine Tochter Sonja erbt das Ferienhaus in Italien.

2. Formulierungsbeispiel (schlechte Formulierung):

Ich setze meine drei Kinder zu meinen Erben ein,

mein Sohn Tobias erhält das Haus in Augsburg,
mein Sohn Rufus erhält das Appartement in München,
meine Tochter Sonja erhält das Ferienhaus in Italien.
Dies ist mein letzter Wille.

Zur rechtlichen Beurteilung der vorerwähnten beiden Beispielen muss die Vermögenssituation des Testamenterrichters abgeklärt werden.

A)
Der Erblasser verfügt als Vermögen im Wesentlichen über die drei Immobilien, sein Restvermögen ist unbedeutend und deckt gerade die Bestattungskosten.

oder

B)
Der Erblasser verfügt neben den drei Immobilien noch über ein Wertpapierdepot und Kontoguthaben in beträchtlicher Höhe.

Es können folgende Auslegungsregeln angewandt werden:

– Wenn der Erblasser wollte, dass jedes Kind den ihm zugedachten Vermögenszustand zusätzlich zu seinem Erbteil erhält, handelt es sich um Erbeinsetzung quotengleich und Vorausvermächtnisse.

– Wenn der Erblasser wollte, dass jedes Kind den ihm zugedachten Vermögensgegenstand erhält, aber einen Wertausgleich zahlen muss bzw. erhält, wenn die Vermögensgegenstände ungleiche Werte haben kann es sich um eine Teilungsanordnung handeln.

  • Wenn der Erblasser einem Kind (Person) den überwiegenden Teil des Vermögens zuwandte, ca. 75%, kann es sein Wunsch gewesen sein, dass dieser Alleinerbe wird.
  • Wenn die „verteilten“ Gegenstände nahezu das gesamte Vermögen ausmachen (mehr als 95%) kann eine Erbeinsetzung nach Erbquoten vorliegen.

Derartige Formulierungen sind im hohen Umfang streitanfällig.

Diese Ausführungen in einer letztwilligen Verfügung können bedeuten, dass

  • die Personen gesetzliche Erben werden und Vorausvermächtnisse erhalten bzw.
  • die Person gesetzliche Erben werden und Teilungsordnung gilt bzw.
  • derjenige, der wertmäßig das Meiste erhält, Alleinerbe wird bzw.

die Erbquoten nach Bruchteilen zu berechnen sind.

Lösungsbeispiel für Teilungsanordnung

Wenn Teilungsanordnung gilt, muss der Nachlass nach bestimmten Regeln zwischen den Erben aufgeteilt werden.

Dies wird an folgendem Beispiel dargestellt:

Der Erblasser hinterlässt 3 Kinder,
das Haus in Augsburg hat einen Wert von 500.000,- €,
die Eigentumswohnung in München einen Wert von 300.000,- € und
das Ferienhaus in Italien einen Wert von 100.000,- €.

Das Ergebnis ist bei unterstellter Teilungsanordnung, dass der älteste Sohn 200.000,- € an die Schwester zu bezahlen hat.
Bei Testamenten Variante 1 und Vermögenssituation A.

Wenn es sich allerdings um Vorausvermächtnisse handeln sollte, hat der älteste Abkömmling an den jüngsten Abkömmling nichts zu bezahlen, dieser könnte allerdings auch die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen.

Es gilt daher der Grundsatz, dass derartige Formulierungen zu vermeiden sind.

Die Erbrechtskanzlei Eulberg & Ott-Eulberg, Augsburg, berät Sie im Vorfeld bei der zutreffenden Gestaltung von letztwilligen Verfügungen, als auch beim eingetretenen Erbfall bei der zutreffenden Auslegung und daraus resultierenden Durchsetzung der Rechte.