Türkisches Erbrecht: Fragen und Antworten

Nach welchem Erbrecht richtet sich die Erbfolge, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland verstirbt?

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Im deutsch-türkischen Verhältnis bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht nach den §§ 14 ff. der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.05.1929 (Nachlassabkommen/NA). Gemäß § 14 NA bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zur Zeit seines Todes hatte, und in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt.

Für in Deutschland belegenem unbeweglichen Nachlass gilt bei einem türkischen Erblasser zwingend deutsches Recht.

Für deutsche Immobilien eines türkischen Erblassers tritt mithin stets Nachlassspaltung ein. Für bewegliches Vermögen eines türkischen Staatsangehörigen mit letztem Wohnsitz in Deutschland gilt türkisches Erbrecht.

Wer erbt nach türkischem Erbrecht?

1. Gesetzliche Grundlage für das materielle Erbrecht
Das türkische materielle Zivilrecht ist vom schweizerischen Recht geprägt.

2. Gesetzliche Erbfolge
a) Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge
Gesetzliche Erben nach türkischem Recht sind nach der Systematik des ZGB

  • die Blutsverwandten des Erblassers (eheliche und außereheliche Kinder, Eltern und Großeltern, Art. 495-498 ZGB),
  • der überlebende Ehegatte (Art. 499 ZGB),
  • das Adoptivkind des Erblassers (Art. 500 ZGB)
  • und schließlich der Staat (Art. 501 ZGB).

Die Angehörigen der näheren Ordnung schließen grundsätzlich die Angehörigen der entfernteren Ordnung von der gesetzlichen Erbfolge aus.

b) Nachkommen des Erblassers
Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge, Art. 495 ZGB.

c) Eltern
Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers. Leben beide Elternteile, erben die zu gleichen Teilen.

d) Großeltern
In dritter und letzter Ordnung erben die Großeltern bzw. deren Abkömmlinge, Art. 497 ZGB.

e) Ehegatte
Der Ehegatte hat ein konkurrierendes Erbrecht gegenüber anderen gesetzlichen Erben. Er erbt neben Abkömmlingen (Erben erster Ordnung) ein Viertel, neben Erben der zweiten Ordnung (Eltern bzw. deren Abkömmlinge) die Hälfte und neben Großeltern und deren Abkömmlinge drei Vierteil.

Wie kann ich nach türkischem Recht eine letztwillige Verfügung errichten?

Das türkische Recht kennt neben Testamenten die Möglichkeit vertraglicher Verfügungen. Gemeinschaftliche Testamente und ehegemeinschaftliche Testamente sind ihm fremd.

Inhaltlich sind Erbeinsetzungen, Teilungsanordnungen und Vermächtnisse möglich, ferner die Einsetzung von Nacherben und Testamentsvollstreckern.

a) Das öffentliche Testament
Unter Mitwirkung von zwei Zeugen erfolgt die öffentliche letztwillige Verfügung vor dem „offiziellen Beamten“, Friedensgericht, Notar oder einem anderen Beauftragten, der nach dem Gesetz mit diesen Geschäften betraut ist.

Ein öffentliches Testament vor dem türkischen Beamten muss in türkischer Sprache verfasst werden.

b) Das eigenhändige (holographe) Testament
Der Erblasser muss den ganzen Text der Urkunde, einschließlich der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung, selbst mit der Hand schreiben und unterzeichnen (Art. 538 ZGB).

c) Der Widerruf des Testaments
Der Widerruf kann gem. § 542 Abs. 1 ZGB jederzeit durch ein Testament erklärt werden.

Gibt es einen Pflichtteilsanspruch nach türkischem Erbrecht?

a) Pflichtteilsquote
Pflichtteilsberechtigt sind gem. Art. 505 Abs. 1 ZGB und Art. 506 ZGB die Abkömmlinge, die Eltern, der Ehegatte, aber auch die Geschwister des Erblassers. Der Pflichtteil ist ein echtes Noterbrecht.

Die Pflichtteilsquote beträgt für einen Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches, für jeden Elternteil ein Viertel und für jeden Geschwisterteil ein Achtel des gesetzlichen Erbteils.

b) Geltendmachung des Pflichtteils
Das Pflichtteilsrecht muss durch Herabsetzungsklage geltend gemacht werden.

Das Recht auf Erhebung der Herabsetzungsklage ist nach Ablauf eines Jahres verwirkt.

Gem. § 15 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens sind für Pflichtteilsklagen die Gerichte des Heimatstaates, bzw. hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens die des Belegenheitsstaates, ausschließlich zuständig.

Gibt es Fristen zu beachten?

a) Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Für die Annahme der Erbschaft ist ein Zutun des Erben nicht erforderlich.

Die Frist zur Ausschlagung beträgt drei Monate ab Kenntnis vom Erbfall (Art. 606 ZGB).

b) Erbengemeinschaft
Die Struktur der Erbengemeinschaft ist der deutschen vergleichbar.

Welche Art von Erbschein muss beantragt werden?

Für in Deutschland befindliches bewegliches Vermögen eines türkischen Staatsangehörigen wird gem. § 2369 BGB ein Fremdrechtserbschein erteilt, da auf diesen Teil des Nachlasses das türkische Recht anwendbar ist (§ 14 NA).