Pflichtteilsstrafklausel schlecht formuliert

„Geltendmachung“ des Pflichtteils und Pflichtteilsstrafklausel

Die Pflichtteilsstrafklausel wird ausgelöst, sobald der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil (Zahlung) ernsthaft verlangt. Schon dies ist ein „geltend machen“ des Pflichtteils.

Der Fall:

Wir wollen dies an folgendem Fall demonstrieren:

Der im Jahr 2005 verstorbene Erblasser Vater zweier Kinder setzte in einem gemeinschaftlichen Ehetestament seine zweite Ehefrau zur Vorerbin, seine beiden Kinder aus erster Ehe zu Nacherben für den Fall ein, dass er der Erstversterbende sein sollte.

Als seine zweite Ehefrau 5 Jahre nach ihm verstarb, trat der Nacherbfall ein.

Die Ehegatten hatten im notariellen Testament eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen, wonach für den Fall, dass ein Kind nach dem Tod des Vaters als Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend macht, es nach dem Tod des Letztversterbenden ebenfalls nur pflichtteilsberechtigt sein sollte.

Nach dem Tod ihres Vaters hatte die Tochter durch Anwaltsschreiben der Stiefmutter mitteilen lassen, dass ihr möglicherweise Pflichtteilsansprüche zustehen, dabei wies sie auf die Auskunftspflicht der Vorerbin als Erbin hin, bat um Erteilung eines Nachlassverzeichnisses und um sachverständige Wertermittlung des hinterlassenen Grundbesitzes ihres Vaters. Ein Jahr später ließ sie mitteilen, dass sie sich entschlossen habe, ihre Einsetzung als Nacherbin auszuschlagen, um den Pflichtteil geltend zu machen. Eine formgerechte Ausschlagung erklärte sie allerdings nicht.

Ihr Bruder beantragte einen Erbschein, wonach er alleiniger Nacherbe seines Vaters wurde, weil seine Schwester den Pflichtteil „geltend gemacht“ hatte und sie somit die Sanktion der Strafklausel traf. Das Nachlassgericht kündigte die Erteilung des Erbscheins an. Auf die Beschwerde der Tochter legte das Amtsgericht – Nachlassgericht – die ablehnende Entscheidung dem OLG vor.

Die Entscheidung:

Das OLG führte (unserer Meinung nach unzutreffend) aus, dass die Sanktion der Pflichtteilsstrafklausel durch das Verhalten der Tochter ausgelöst ist, weil ein bewusstes Geltendmachen des Pflichtteils in Kenntnis der Klausel vorliegt. Welches konkrete Verhalten die „Bestrafung der Enterbung“ letztendlich herbeiführt, richtet sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Testierenden (BGH NJW-RR 2209, 1455). Dabei ist auf die Sicht des Erblassers abzustellen, wonach der überlebende Ehegatte nicht mit einer vorzeitigen Schmälerung der Erbmasse überfrachtet und ihm auch die persönlichen Belastungen erspart sein sollen, sich mit dem Pflichtteilsberechtigten auseinanderzusetzen. Die Tochter hat durch die Anwaltsschriftsätze gezeigt, dass sie mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Intensität ihre pflichtteilsrechtlichen Interessen verfolgte. Ob der Pflichtteilsanspruch tatsächlich durchgesetzt wird oder nicht, ist unerheblich.

Der Fall zeigt deutlich, dass ein Teil der Gerichte das „Verlangen“ des Pflichtteilsanspruch gem. § 2314 BGB schon dann anzunehmen ist, wenn sich der überlebende Ehegatte als (Vor-)Erbe auf eine pflichtteilsrechtliche Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten einstellen muss.

Diese Rechtsauffassung ist jedoch nicht ganz unumstritten.

Der Pflichtteilsberechtigte muss Zahlung verlangen, zudem muss er pflichtteilsberechtigt sein.

Im vorliegenden Fall war die Tochter, nachdem sie Nacherbin war, noch nicht zur Geltendmachung des Pflichtteils berechtigt. Erst durch Ausschlagung der Nacherbschaft wäre sie berechtigt gewesen den Pflichtteil zu verlangen.

Der Erblasser hat es in der Hand, eine zutreffend formulierte Pflichtteilsstrafklausel in seine letztwillige Verfügung aufzunehmen, um postmortale Streitigkeiten zu vermeiden.