Italienisches Erbrecht (Praxisbeispiel)

Ausgangsfall:
Es verstirbt die deutsche Staatsangehörige/der deutsche Staatsangehörige mit dauerhaftem Wohnsitz in Italien, beispielsweise am Gardasee im Bereich der Stadt Salò.

In der Untervariante A hat der Erblasser/die Erblasserin keine Rechtswahl getroffen in der letztwilligen Verfügung, ob italienisches oder deutsches Recht anzuwenden ist und in der Fallvariante B hat der Erblasser/die Erblasserin überhaupt keine letztwillige Verfügung in Form eines handschriftlichen oder notariellen Testaments hinterlassen.

Zum Zeitpunkt des Ablebens war der Erblasser/die Erblasserin in einer weiteren Untervariante nicht verheiratet, sondern hatte lediglich aus geschiedener Ehe zwei Abkömmlinge, die beide in Deutschland, beispielsweise in München, wohnhaft sind.
In der weiteren Untervariante hatte der Erblasser/die Erblasserin einen Ehepartner, der in Italien wohnhaft ist.

Aufgrund der Europäischen Erbrechtsverordnung kommt für Versterbensfälle nicht mehr die Staatsangehörigkeit als entscheidendes Kriterium für das anzuwendende Erbrecht in Betracht, sondern es kommt auf den ständigen Aufenthalt an.

Da im vorliegenden Fall der Erblasser/die Erblasserin den gewöhnlichen Aufenthalt am Gardasee in Salò, also im Bereich des Veneto, hatte, kommt italienisches Erbrecht zu Anwendung.

Beim italienischen Erbrecht sind besondere Grundsätze hervorzuheben im Gegensatz zum deutschen Erbrecht oder zu den Erbrechtsituationen im angloamerikanischen Rechtssystem.

Es gilt Folgendes:
Grundsatz der Universalsukzession
Gesetzliche und testamentarische Erbfolge sind gemäß Art. 457 codice civile gleichwertig.

Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge sind gemäß Art. 589, 458 codice civile unzulässig.

Eine Nacherbfolge ist gemäß Art. 692 codice civile unzulässig.

Vermächtnisse gehen gemäß Art. 649 codice civile unmittelbar und mit ähnlicher Wirkung auf den jeweils im Testament Bedachten über.

Das Pflichtteilsrecht ist gemäß Art. 536 codice civile als echtes Notrecht oder auch sogenanntes Vorbehaltsrecht ausgestaltet im Gegensatz zum deutschen Pflichtteilsrecht.

Es ist eine besondere Erbschaftsannahme notwendig im Gegensatz zum deutschen Erbrecht. Bis zur Erbschaftsannahme ruht die Erbschaft gemäß Art. 459, 470 codice civile.

Selbst wenn die Erblasserin/der Erblasser beispielsweise als sie/er noch in München wohnhaft gewesen ist, d. h. vor dem Umzug nach Italien, und er/sie ein Testament in Deutschland errichtet hat, gilt dann jedoch, wenn er/sie in Italien wohnhaft gewesen ist, italienisches Erbrecht.

Es muss also dann beim Umzug nach Italien besonders geprüft werden, ob und inwieweit der Testamentsinhalt angepasst werden muss. Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, dass sich Vor- und Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung im italienischen Erbrecht massiv von der im deutschen Erbrecht geregelten Vor- und Nacherbschaft und im deutschen Erbrecht geregelten Testamentsvollstreckung unterscheiden.

Die Beratung hat nun dahingehend zu erfolgen, dass durch den Tod des Erblassers/der Erblasserin gemäß Art. 456 codice civile die Erbfolge eröffnet wird.

Es hat eine Eröffnung der Erbfolge apertura della successione zu erfolgen, die die Berufung zur Erbschaft vocazione und den Erbschaftsanfall delazione beinhaltet.

Im Gegensatz zum deutschen Erbrecht, in welchem der Erwerb der Erbschaft durch den Erben unmittelbar mit dem Tod des Erblassers eintritt, § 1922 Abs. 1 BGB, lehnt das italienische Erbrecht, der italienische codice civile, einen solchen automatischen Vonselbsterwerb ausdrücklich ab.

Im deutschen Recht wird man automatisch Erbe, man muss die Erbschaft nicht annehmen, wenn man jedoch nicht Erbe sein will, kann man die Erbschaft ausschlagen.

Im italienischen Erbrecht ist dies jedoch anders.

Die Erbschaft vollzieht sich gemäß Art. 459 codice civile nur durch eine ausdrückliche Annahme accettazione, die, und dies ist ausdrücklich festzuhalten, auf den Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft zurückwirkt.

Selbst wenn beispielsweise der Erbe nach italienischem Recht erst nach 5 oder 6 Jahren nach dem Erbfall die Annahme erklärt, wirkt diese zurück auf den Todestag.

Mit dem Eintritt des Todes, d. h. dem Anfall der Erbschaft delazione, erwirbt der zur Erbschaft Berufene lediglich das Recht, die Erbschaft anzunehmen. Er erwirbt nicht automatisch die Erbschaft.

Dies soll am folgenden Beispiel dargestellt werden:

Nach deutschem Erbrecht erwirbt Hans Müller, der von seinem Vater Peter Müller als Erbe eingesetzt worden ist, in der Sekunde des Todes des Vaters die Erbschaft, d. h. er wird Eigentümer des Mietshauses in München und der sonstigen Vermögensgegenstände. Wenn jedoch der Vater mit Wohnsitz in Italien verstorben ist, erwirbt der Sohn, der testamentarisch eingesetzt worden ist, lediglich das Recht, die Erbschaft anzunehmen.

Er wird eben nicht automatisch Erbe.

Nach italienischem Erbrecht kann der durch Testament oder gesetzliche Erbfolge Berufene grundsätzlich in 3 unterschiedlichen Weisen vorgehen.

Er kann die Erbschaft vorbehaltlos annehmen.

Er kann die Erbschaft unter Vorbehalt der Inventarerrichtung annehmen.

Er kann die Erbschaft ausschlagen.

Nach deutschem Erbrecht könnte der Erbe nur die Erbschaft ausschlagen.

Prinzipiell hat der zur Erbschaft Berufene, also derjenige, der prinzipiell als Erbe in Betracht kommt, 10 Jahre lang Zeit, die Erbschaft anzunehmen.

Es kann ihm allerdings das Gericht auf Antrag eines Beteiligten eine Frist setzen, in der er die Erbschaft anzunehmen hat gemäß Art. 481 codice civile.

Wenn der zur Erbschaft Berufene innerhalb von 10 Jahren die Erbschaft nicht annimmt, hat er kein Erbrecht mehr.

Der zur Erbschaft Berufene hat im Gegensatz zum deutschen Erbrecht nach dem italienischen Erbrecht innerhalb der Verjährungsfrist des Art. 480 Abs. 1 codice civile ein Wahlrecht, ob er die Erbschaft gemäß Art. 470 codice civile vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung annehmen will.

Es bestehen somit Möglichkeiten, die Haftung zu begrenzen.

Es ist allerdings auch möglich, dass nach italienischem Erbrecht eine vorbehaltlose Annahme erklärt wird, die entweder ausdrücklich oder stillschweigend gemäß Art. 474 codice civile erklärt werden kann.

Wie im deutschen Erbrecht gibt es die sogenannte konkludente Annahme. Eine konkludente Annahme wird dann angenommen, wenn der „Erbe“ Handlungen vornimmt, die normalerweise nur ein Erbe vornehmen würde.

Als Annahme gilt auch beispielsweise der Verkauf von Nachlassgegenständen.

Ähnlich wie im deutschen Erbrecht muss auch im italienischen Erbrecht, wenn zum Nachlass Grundstücke gehören, diese in ein öffentliches Registergrundbuch eingetragen werden, trascrizione gemäß Art. 2648, 2643, 2660 codice civile.

Wenn also eine Immobilie sich im Nachlass befindet, muss die Annahme der Erbschaft vor einem italienischen Notar erklärt werden.

Es wird dies dann in das Erbschaftsregister beim zuständigen Nachlassgericht eingetragen.

Wenn dies geschehen ist, hat der Erbe auch noch die dichiarazione di successione zu erklären. Wenn diese Erklärung nicht beanstandet worden ist, muss innerhalb von 30 Tagen die Umschreibung des Eigentums beantragt werden bei der agenzia del territorio.

Das örtlich zuständige Büro ist dabei allein dasjenige, in dessen Gebiet die für den Erbfall zuständige Steuerbehörde sitzt, auch wenn Immobilien über mehrere Regionen in Italien, also Süditalien, Sizilien oder Norditalien, verteilt sein sollten.

Zur Eigentumsumschreibung voltura catastale muss ein Original der dichiarazione di successione mit dem entsprechenden Stempel der Steuerbehörde beim Liegenschaftsamt eingereicht werden.

Es fällt hier eine Gebühr von ca. 70,00 Euro an.