Ersatzerbfolge: § 2069 BGB findet keine Anwendung auf entfernte Verwandte.

Die Auslegungsregel des § 2069 sagt, dass, wonach dann, wenn der Erblasser einen Abkömmling bedacht hat und dieser nach Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Dies kann nicht angewandt werden, wenn testamentarisch einsetzte Erben in der Seitenlinie vor dem Ableben des Testamentserrichters verstorben sind und Abkömmlinge hinterlassen haben.

In einem vom OLG mit Beschluss vom 20.07.2016 31 BX 156/15 entschiedenen Rechtsstreit war die Erblasserin kinderlos verstorben. Auch ihre Eltern waren bereits vorverstorben. Bereits im Jahr 1982 hatte die Erblasserin gemeinsam mit ihrem 2013 vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich auf den ersten Versterbensfall gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, so wie den Halbbruder der Erblasserin (einen Sohn ihrer Mutter als erster Ehe) sowie eine von ihrer Mutter aufgenommene Pflegeschwester (Pflegekind) eingesetzt hat.

Die beiden eingesetzten Schlusserben waren allerdings zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits ebenfalls verstorben.

Es muss dann ermittelt werden, wer sind die nächsten gesetzlichen Erben. Es muss ermittelt werden, ob ggf. die Erben bzw. Abkömmlinge der vorverstorbenen Schlusserben zur Erbfolge gelangen können.

Im vorliegenden Fall sind die nächsten gesetzlichen Erben die Abkömmlinge ihres Halbbruders, also des Sohnes der Mutter der Erblasserin aus erster Ehe.

Die Abkömmlinge der Pflegeschwester kommen nicht zum Zug.

Im vorliegenden Fall kommt es überhaupt nicht zu einer testamentarischen Erbfolge, sondern es kommt ausschließlich zu einer gesetzlichen Erbfolge.

Diese Entscheidung ist vom 11.06.2018.

In einer weiteren Entscheidung vom 11.06.2018 31 WX 294/16 hatte das OLG über ähnliche und weitere Fragen zu entscheiden.

1. Ist die Erbeinsetzung entfernter Verwandter in einem Ehegattentestament wechselbezüglich und damit bindend?

2. Kann man annehmen, dass der Abkömmling eines eingesetzten aber weggefallenen entfernteren Verwandten Ersatzerbe sein kann oder der Nachlass den übrigen Verwandten einsetzt.

3. Ist die ergänzende Auslegung einer Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des weggefallenen Verwandten ebenfalls wechselbezüglich und bindend.

Die erste Frage, ob entfernte Verwandte wechselbezüglich eingesetzt werden können, hat das OLG bejaht.

Dies wird allerdings zum Teil kritisch gesehen.

In diesem Zusammenhang ist allerdings die Ersatzerbfolge von Abkömmlingen entfernter Verwandter die entscheidende Frage, die beantwortet wurde in dieser Entscheidung.

Fällt ein testamentarisch eingesetzter Erbe vor dem Erbfall weg, wächst dessen Erbteil den übrigen Erben an, § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn nicht der Erblasser für diesen Fall einen Ersatzerben § 2069 BGB bestimmt hat. Das Recht des Ersatzerben geht vor der Anwachsung.

Eine Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach im Zweifel Abkömmlinge von Bedachten aber weggefallenen Abkömmlingen als Ersatzerben bedacht anzusehen sind, gilt nicht für Verwandte der Seitenlinie oder sonstige Dritte. Auch eine analoge Anwendung ist nach absolut herrschender Meinung ausgeschlossen.

Nur dann, wenn ein mutmaßlicher Erblasserwille zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine ergänzende Auslegung ermittelt werden kann, wonach hier eine Ersatzerbeinsetzung auch in der Seitenlinie gewünscht war, kann ggf. § 2069 BGB angewandt werden.

Entscheidend ist für die externe Auslegung, ob hier sich eine stammesmäßige Gleichbehandlung entnehmen lässt. Diesbezüglich sind allerdings die gerichtlichen Entscheidungen sehr unterschiedlich, nämlich einerseits OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2017 I bis III WX 295/16, OLG München, Beschluss vom 26.04.2017 31 WX 378/16 bzw. BGH vom 16.01.2002 IV ZW 20/01.

Resümee: § 2069 BGB findet im Regelfall keine Anwendung in der Seitenlinie. § 2069 BGB kann auch nicht analog angewendet werden. Es muss abgeklärt werden, ob es dann überhaupt noch zur testamentarischen Erbfolge kommt. Wenn es denn noch zur testamentarischen Erbfolge kommen würde, weil ein testamentarischer Erbe dann noch verbleibt, kommt es zur Anwachsung.

Wenn eine Anwachsung mangels eines verbleibenden testamentarischen Erbens nicht kommt, dann haben wir gesetzliche Erbfolge.

Gesetzestexte: § 2069 BGB Ersatzerbfolge Anwachsung 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 2099 BGB Recht des Ersatzerben vor dem Anwachsungsrecht.

Dies setzt jedes Mal eine Darstellung der gesetzlichen Erbfolge voraus.