Erbrecht in der Türkei

Das materielle Erbrecht ist in der Türkei in den Artikeln 495 ff. ZGB geregelt.

Gleich wie im deutschen Erbrecht ist das Erbrecht normiert im Bürgerlichen Gesetzbuch.

In der Türkei wird, wie in Deutschland, zwischen der gesetzlichen Erbfolge einerseits und der gewillkürten Erbfolge durch Testament bzw. Erbvertrag andererseits unterschieden.

Es kommt nur dann zur testamentarischen Erbfolge, wenn der Erblasser ein wirksames Testament errichtet hat.

Gleich wie im deutschen Erbrecht sieht das türkische Erbrecht eine gesetzliche Erbfolge nur dann vor, wenn keine letztwillige Verfügung vorhanden ist.

Die gesetzliche Erbfolge nach türkischem Recht ist ähnlich aufgebaut, wie die gesetzliche Erbfolge nach deutschem Recht.

Die Abkömmlinge des Erblassers sind gesetzliche Erben I. Ordnung gemäß Artikel 495 ZGB.

Gleich wie im deutschen Erbrecht sind die nichtehelichen und adoptierten Kinder im türkischen Erbrecht gleich, wie eheliche Kinder erbberechtigt gemäß Artikel 498, 500 türkisches Zivilgesetzbuch.

Ebenfalls gleich wie im deutschen Erbrecht ist normiert, dass wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind, diese zu gleichen Teilen erben.

Gleichlaufend zum deutschen Erbrecht ist im türkischen Erbrecht geregelt, dass wenn ein Abkömmling des Erblassers bereits vorverstorben ist, an dessen Stelle dessen Abkömmlinge treten.

Wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, kommt es zu der Erbfolge nach der zweiten Ordnung.

Nach der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Nachkömmlinge gemäß Artikel 496 türkisches Zivilgesetzbuch Erben.

Wenn keine Erben der zweiten Ordnung vorhanden sind, so erben die Großeltern bzw. deren Nachkommen als Erben III. Ordnung gemäß Artikel 497 des türkischen Zivilgesetzbuches.

Gleich wie im deutschen Erbrecht besteht auch nach dem türkischen Erbrecht ein gesetzliches Erbrecht des überlebenden Ehegatten gemäß Artikel 499 des türkischen Zivilgesetzbuches.

Der Ehegatte erhält bei der gesetzlichen Erbfolge neben Abkömmlingen des Erblassers, d.h. den Erben der I. Ordnung, ¼ der Erbschaft, neben den Erben der II. Ordnung die Hälfte.

Gleich wie im deutschen Erbrecht, erlischt das Erbrecht des Ehegatten nach türkischem Erbrecht mit der Scheidung der Ehe bzw. mit der Feststellung der Nichtigkeit der Ehe.

Das türkische Erbrecht unterscheidet sich nicht vom deutschen Erbrecht, was die Wirksamkeit eines Testaments nach türkischem Erbrecht vorsieht, denn nach türkischem Erbrecht muss gemäß Artikel 502 türkisches Zivilgesetzbuch der Erblasser, d.h. derjenige, der das Testament errichtet, urteilsfähig sein.

Die Urteilsfähigkeit ist im Endeffekt gleichzusetzen mit Testierfähigkeit.

Im Hinblick auf die Errichtung von letztwilligen Verfügungen gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen Erbrecht und dem türkischen Erbrecht.

Das handschriftliche Testament nach türkischem Erbrecht muss gleichfalls, wie nach deutschem Erbrecht, vom Erblasser komplett eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein gemäß Artikel 538 ZGB. Ein Unterschied zwischen dem türkischen Erbrecht und dem deutschen Erbrecht in Bezug auf eigenhändige Testamente besteht darin, dass zur Wirksamkeit des türkischen Testaments ein Erstellungsdatum vorhanden sein muss, welches vom Testamentserrichter eigenhändig geschrieben wurde.

Die Angabe eines Datums ist bei einem Testament nach deutschem Erbrecht nicht Wirksamkeitserfordernis.

Es gibt auch ein notarielles Testament. Als größter Unterschied zum deutschen Erbrecht ist das mündliche Testament.

Gleich wie im deutschen Erbrecht kann nach türkischem Recht das Testament auch teilweise widerrufen werden.

Das Pflichtteilsrecht unterscheidet sich im türkischem Recht vom deutschen Erbrecht.

Nach türkischem Erbrecht besteht gemäß Artikel 505 ZGB eine Recht auf Mindestbeteiligung am Nachlass.

Die Pflichtteilshöhe beträgt für die Abkömmlinge die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, für die Eltern ¼. Auch die Pflichtteilsquoten des Ehepartners unterscheiden sich.

Es ist festzuhalten, dass die Ausschlagung der Erbschaft auch nach türkischem Erbrecht möglich ist.

Es müssen hierbei die entsprechenden Fristen beachtet werden.

Dazu ist es allerdings notwendig, dass der Erbe vom Erbfall Kenntnis erlangt bzw. Kenntnis erlangt von dem Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung.

Die Ausschlagungsfrist ist 3 Monate ab Kenntnis vom Erbfall.

Den Erben steht im Hinblick auf das türkische Erbrecht, genau wie im deutschen Recht, das Recht zu die Erbschaft auszuschlagen und somit die Haftung für Erblasserschulden abzuwenden. Unterschied zum deutschen Erbrecht ist, dass wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt offenkundig zahlungsunfähig war und der Nachlass überschuldet ist, dann gilt in diesem Fall die Erbschaft gesetzlich als ausgeschlagen. § 605 ZGB unterscheidet sich dadurch deutlich vom deutschen Erbrecht.

Das Ausschlagungsrecht entfällt für die Erben, wenn sie vor Ablauf der Ausschlagungsfrist, Maßnahmen bezüglich des Nachlasses vorgenommen haben, wie beispielsweise eine Grundstücksumschreibung.

Die Ausschlagung unterliegt einer dreimonatigen gesetzlichen Frist. Die Frist für die Ausschlagung beginnt bei der gesetzlichen Erbfolge, ab der Kenntnisnahme des Todes des Erblassers und bei eingesetzten Erben, also der testamentarischen Erbfolge mit der Bekanntgabe über die Verfügung des Erblassers, § 606 ZGB.

Insofern unterscheidet sich das türkische Erbrecht nicht wesentlich vom deutschen Erbrecht, wobei beim deutschen Erbrecht, statt einer dreimonatigen First, eine lediglich sechswöchige First besteht.

Es kann allerdings nach türkischem Recht, und hier unterscheidet sich das türkische Recht vom deutschen Recht, die Ausschlagungsfrist durch das Gericht verlängert werden.

Die Form der Ausschlagung kann sowohl mündlich, als auch schriftlich gegenüber dem Friedensgericht erklärt werden.

Wenn die in Deutschland lebenden Abkömmlinge eines türkischen Erblassers, unabhängig vom Versterbensort des türkischen Erblassers, in der Türkei Maßnahmen vorgenommen haben, wie beispielsweise Umschreibung eines Grundbuchs, dann können diese in Deutschland nicht mehr die Ausschlagung erklären.

Wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland verstirbt und er bewegliches und unbewegliches Vermögen sowohl in Deutschland, als auch in der Türkei hat, kommt Nummer 14 des Konsulatabkommens in Betracht. Dieser lautet wie folgt: Die erbrechtlichen Verhältnisse in Anziehung des beweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen Verhältnisse in Anziehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre.

Dies bedeutet, dass wenn der Erblasser Immobilienvermögen in Deutschland hatte, dieses nach deutschem Erbrecht vererbt wird, während bewegliches Vermögen nach türkischem Erbrecht vererbt wird und das bewegliche Vermögen in der Türkei wird nach türkischem Recht beurteilt.

Wenn eine Fallsituation vorliegt, dass ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland nur bewegliches Vermögen hat, dann kommt an sich türkisches Erbrecht zur Anwendung.

Die oftmals geübte Vorgehensweise, dass in Deutschland die Ausschlagung erklärt wird und in der Türkei die Erbschaft angenommen wird, um zu vermeiden, dass deutsche Gläubiger gegen ihn vorgehen, ist eine, unseres Erachtens nach, unzutreffende Vorgehensweise.

Zudem ist in zahlreichen Fällen zu bedenken, dass beim beweglichen Vermögen soundso türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt. Wenn hier die Ausschlagung erfolgt, hätte dies auch zur Konsequenz, dass dann auf den türkischen Nachlass verzichtet wird.

Zudem ist zu beachten, dass wenn die Ausschlagenden Abkömmlinge haben, dass dann wiederrum für die Abkömmlinge die Ausschlagung zu erklären ist.

Zudem haften Erben eines türkischen Erblassers wenn dieser Vermögen in der Türkei hat und die Erben nur in Deutschland zur Gläubigerbenachteiligung die Erbschaft ausgeschlagen haben, trotzdem den Gläubigern auf Zahlung, und zwar persönlich.

Das Deutsch-Türkische Nachlassabkommen vom 28.05.1929 regelt 3 besondere Situationen:

1. Für den beweglichen Nachlass ist das Heimatrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt zu Grunde zu legen, auch dann, wenn der Erblasse außerhalb des Vertragsstaates gelebt hat, in dem der unbewegliche Nachlass liegt, § 14 I, 18 na.

Dies bedeutet, dass für den beweglichen Nachlass eines türkischen Staatsangehörigen, im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt.

2. Der unbewegliche Nachlass, das heißt Immobilien, Häuser, Wohnungen, Grundstücke sind nach dem Recht des Belegenheitortes, ohne Rücksicht auf den Todesort des Erblassers, zu beurteilen, § 14 II, 18 n. Für einen türkischen Staatsangehörigen, wenn er Grundstücke in der Türkei hinterlässt, türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt und wenn der Türke in Deutschland Grundstücke hinterlässt, deutsches Recht zur Anwendung kommt.

3. Bei letztwilligen Verfügungen werden sowohl die Formvorschriften der Türkei als auch die Formvorschriften des deutschen Erbrechts anerkannt.

Typische Fallkonstellationen sind, dass der türkische Erblasser Immobilienvermögen in der Türkei hat und bewegliches Vermögen in Deutschland hat. Beide Situationen werden dann nach türkischem Erbrecht vererbt.

Eine nach deutschem Recht erklärte Ausschlagung führt eben gerade nicht, rein rechtlich gesehen, zur Befreiung von Verbindlichkeiten deutscher Gläubiger des Erblassers.

Hingegen ist aber festzuhalten, dass den meisten deutschen Gläubigern, unabhängig ob es sich um Privatgläubiger, Finanzamt, Krankenkasse, Rentenversicherung, Sozialämtern handelt, dies unbekannt ist.

Es wird darauf hingewiesen, dass Sozialhilfeempfänger sich gegebenenfalls in erheblichen Umfang strafbar machen, wenn sie den Erwerb türkischen Nachlassvermögens nicht offenlegen.