Fragen und Antworten zum Testament für Menschen mit behinderten Angehörigen

Wie wird die Relevanz von Behindertentestamenten aufgrund der demographischen Daten eingeschätzt?

Die Zahl der Behinderten, insbesondere auch der Kinder, nimmt immer mehr zu.

Im Jahre 2003 waren es 180.000 Menschen, die eine stationäre Betreuung benötigten. Die Kosten für diese stationäre Behandlung wurden zu 90 % von der öffentlichen Hand bestritten. Diese Zahl wird sich auf ca. 210.000 im Jahre 2009 erhöhen.

Die Zahl der behinderten Menschen, die ambulante Betreuung in betreuten Wohnformen erhalten, wird im Jahr 2009 ca. 60.000 betragen.

Die Pflegeheim- und Pflegekosten erhöhen sich ständig.

Trotz Pflegeversicherung sind von den Betroffenen Zuzahlungen in Höhe von 2.000,- € bis 3.000,- € monatlich zu erbringen.

Viele Behinderte bzw. ihre Angehörige sind dazu nicht in der Lage.

Sie sind daher auf Sozialhilfe angewiesen.

Eltern von behinderten Kindern haben Angst, dass ihr Vermögen im Erbfall von der Sozialhilfe „aufgezehrt“ wird, und zwar innerhalb kürzester Zeit, so dass auch das behinderte Kind aus dem ersparten und vererbten Vermögen keine Vorteile erzielt und nach dem Verbrauch des ererbten Vermögens wieder auf die Sozialhilfe angewiesen ist, ohne besondere Vorteile zu haben.

Ziele des Behindertentestaments, die von der Erbrechtskanzlei Eulberg und Ott-Eulberg, Ludwigstr. 22, 86152 Augsburg, erstellt werden, sind:

  • das Vermögen in der Familie zu erhalten,
  • die Zugriffsmöglichkeiten der Sozialhilfeträger auf dieses Vermögen zu vermeiden,
  • die Lebenssituation des behinderten Kindes zu verbessern.

Dem behinderten Kind soll nach dem Tod der Eltern eine über die normale Sozialhilfe hinausgehende Lebensqualität gesichert werden, was nur möglich ist, wenn Zuwendungen erreicht werden, die nicht vom Sozialhilfeträger weggenommen werden können.

Die Gestaltung eines Behindertentestamentes gehört seit Jahren zu den Schwerpunkten der Erbrechtskanzlei Eulberg & Ott-Eulberg. Unseren Mandanten machen wir die verschiedenen Gestaltungsregelungen verständlich.

Darüber hinaus bedarf es immer einer individuellen angepassten Regelung, ein „Standard-Behinderten-Testament“ gibt es nicht.

Die Bedürfnisse, Situationen und Wünsche der Beteiligten ermitteln wir in jedem einzelnen Fall.

Wir erarbeiten dann eine zutreffende Lösung.

Wir besprechen mit Ihnen die nachfolgenden Punkte:

Wie ist die erbrechtliche Ausgangslage?

Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag des Erblassers nicht besteht.

Gesetzliche Erben sind Verwandte des Erblassers, die Ehegatten und wenn weder Verwandte noch Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes vorhanden sind, der Staat.

Was versteht man unter Ordnungs- und Parentelsystem?

Erben 1. Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel usw. unabhängig davon, ob sie ehelich oder unehelich geboren, oder ob sie adoptiert wurden).

Erben 2. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge

Erben 3. Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Das sind Tante, Onkel, Cousins und Cousinen.

Erben 4. Ordnung die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.

Was versteht man unter Erbfolge nach Stämmen?

Zu einem Stamm fasst das Gesetz jeweils diejenigen Abkömmlinge des Erblassers zusammen, die durch ein und denselben Abkömmling mit dem Erblasser verwandt sind.

1. Repräsentationsprinzip: Ausschluss weiterer Abkömmlinge durch nähere Abkömmlinge des Erblassers, ein näherer Abkömmling repräsentiert also den Stamm.

2. Eintrittsprinzip: Ist ein Abkömmling des Erblassers bereits vor dem Erbfall verstorben, so treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge an seine Stelle. Auf die Eintretenden entfällt der Erbteil, den sonst der Vormann bekommen hätte.

3. gleichmäßige Aufteilung auf die Stämme: Die Stämme erben zu gleichen Teilen.

Welche Auswirkungen hat der Güterstand auf das Ehegattenerbrecht?

Der Ehegatte ist nicht mit dem Erblasser verwandt. Er gehört nicht zu dem oben beschriebenen Kreis der Erben. Sein gesetzliches Erbrecht setzt eine zum Zeitpunkt des Todes bestehende Ehe voraus. War bereits Scheidungsantrag durch den Erblasser gestellt und hätte dieser Erfolg haben müssen bzw. erklärte der Erblasser gegenüber dem Familiengericht , dass er der Ehescheidung zustimmt, scheidet der Ehegatte als Erbe aus.

Die Höhe des Ehegattenerbteils bestimmt sich nach dem Personenkreis, der neben dem Ehegatten erbberechtigt ist und dem Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft), in dem die Eheleute zum Zeitpunkt des Erbfalles gelebt haben.

Welche Auswirkungen hat das Pflichtteilsrecht auf das Behindertentestament?

Das Pflichtteilsrecht stellt eine gesetzliche Grenze der Testierfreiheit dar.

Pflichtteilsberechtigt sind nur:

  • die nächsten Familienangehörigen des Erblasses;
  • die Abkömmlinge des Erblassers;
  • der Ehegatte;
  • die Eltern, jedoch nur insoweit kein Abkömmling vorhanden ist.

Die Geschwister sind nicht pflichtteilsberechtigt.

Der Pflichtteilsberechtigte wird nicht Erbe oder Miterbe. Ein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn derjenige, der diesen Anspruch geltend macht, durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist. Dies kann durch die direkte Bestimmung geschehen, eine bestimmte Person wird von der Erbfolge ausgeschlossen oder indirekt, in dem andere Personen als Erben eingesetzt werden.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der sich gegen die Erben des Verstorbenen richtet. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzliches Erbteils und entsteht mit dem Erbfall.

Der Pflichtteil entfällt, wenn

  • darauf verzichtet wurde,
  • bei genereller Erbunwürdigkeit.

Der Pflichtteilsverzicht muss in notarieller Form erklärt werden.

Oftmals wird fehlerhaft ein Erbverzicht erklärt. Diese erbrechtlichen Fehler vermeidet die Erbrechtskanzlei Eulberg & Ott-Eulberg.

Welche sozialhilferechtliche Rahmenbedingungen müssen beachtet werden?

a) Sozialhilfegrundsatz
Die Sozialhilfe geht vom Grundsatz aus, dass Menschen, die nicht in der Lage sind, aus eigenen Kräften ihren Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich selbst zu helfen, Anspruch auf Sozialleistungen haben.

Nach § 10 SGB Abs. 1 haben Behinderte ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist.

b) Nachrangprinzip
Es erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen erhält. Zur Durchsetzung dieses Grundsatzes kann der Sozialhilfeträger entweder weitere Hilfen einstellen oder Ansprüche des Bedürftigen, die dieser gegen Dritte (z. B. Unterhalt oder Erbschaft), hat, auf sich überleiten.

Der Behinderte ist zunächst verpflichtet, sein eigenes Vermögen und Einkommen im gesetzlich festgelegten Umfang einzusetzen.

Ausgenommen ist nur sog. Schonvermögen (§ 90 Abs. 2, SGB XII):

  • kleine Barbeträge
    z. B. bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach 3. Kap. SGB XII:
    1.600,- €, bzw. 2.600,- € bei voller Erwerbsminderung oder nach 64. Lebensjahr; bei den Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel SGB XII (Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen), Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Hilfe in anderen Lebenslagen): 2.600,- €)
  • ein angemessenes, selbst für Wohnzwecke genutztes, Hausgrundstück:
    Voraussetzung ist, dass die Wohnung oder das Haus vom Hilfebedürftigen selbst genutzt wird. Ob ein Hausgrundstück „angemessen“ ist, richtet sich u. a. nach der Anzahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Haus- und Grundstücksgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschl. Wohngebäudes.
  • Hausrat etc.

c) Auswirkungen
Der Sozialhilfeträger kann auf sämtliches Vermögen des Behinderten zugreifen, wenn dieser das Vermögen im Wege des Erbfalles erlangt, oder die Leistungen der Sozialhilfe einstellen, es sei denn, es ist Schonvermögen, was jedoch nur in den seltensten Fällen der Fall ist.

Das Behindertentestament muss eine Gestaltung erreichen, die dem Behinderten eine über die Sozialhilfe hinausgehende zusätzliche Absicherung gewährt.

Viele denken daran, dem behinderten Kind nichts zukommen zu lassen. In vielen Testamenten wird das behinderte Kind enterbt.

Dann entsteht der Pflichtteilsanspruch, der dann wiederum vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden könnte.

Darüber hinaus wollen viele Eltern ihrem behinderten Kind je gerade etwas zukommen lassen, um dessen Lebenssituation zu verbessern.

Welche testamentarischen Anordnungen müssen beachtet werden?

Es sind verschiedene erbrechtliche Gestaltungen überlegt worden, um ein Zugriff des Sozialhilfeträgers auszuschließen. Die mittlerweile klassische Lösung geht von einer Erbeinsetzung des behinderten Kindes aus, und zwar bereits beim ersten Erbfall, also dem Versterben eines Ehepartners. Das behinderte Kind wird dabei in der Höhe eines Erbteils, der zumindest geringfügig über dem gesetzlichen Pflichtteil liegen muss, zum sog. nicht befreiten Vorerben eingesetzt. Dadurch wird erreicht, dass der ererbte Nachlassanteil von ihm nicht verwertet und daher auch nicht im sozialhilferechtlichen Sinne eingesetzt werden kann. Als Nacherben werden die Abkömmlinge des behinderten Kindes, falls keine solchen vorhanden sind, seine Geschwister oder andere Verwandte eingesetzt. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.

Zusätzlich wird eine Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tod des behinderten Kindes angeordnet. Zum Testamentsvollstrecker wird eine dem Behinderten besonders verbundene Person bestellt.

Wichtigste Regelung ist die Regelung der Aufgaben des Testamentsvollstreckers. Denn dieser soll ja dem behinderten Kind die Annehmlichkeiten zukommen lassen, die seine Lebenssituation verbessern, aber nicht dem Sozialhilferegress ausgesetzt sind.

Daneben kommen auch weitere Annehmlichkeiten in Frage, etwa die Anordnung von Vermächtnissen für den Behinderten (etwa ein höchst persönliches Wohnungsrecht im Haus des Erblassers).

Ist ein Behindertentestament sittenwidrig?

Lange Zeit war fraglich, ob eine derartige Gestaltung unzulässig, weil sittenwidrig ist. Der Bundesgerichtshof (BGH DnotZ 1994, 380) hat mittlerweile in gewissen Grenzen die Zulässigkeit anerkannt (in der Entscheidung aus dem Jahr 1993), Nachlasswert 460.000,- DM).

Ergeben sich Gefahren aus Schenkungen an andere Kinder?

Schenkungen der Eltern an gesunde Kinder zu Lebzeiten können für das Behindertentestament gefährlich sein.

Gibt es eine Musterlösung?

Weitere Gefahren können aus dem Wert des Nachlasses resultieren, insbesondere, wenn dieser zu klein ist. Ist bei einem relativ kleinen Nachlass das Vermögen in Werten gebunden, die keinen oder nur geringen Ertrag abwerfen, besteht das Risiko, dass der Betreuer für den Behinderten ausschlägt, weil dies im wohl verstandenen Interesse des Behinderten liegt. Hier ist das Behindertentestament also nicht anzuraten.

Im Einzelfall muss auch erwogen werden, ob die für die anderen Erben mit dem Behindertentestament verbundenen Beschränkungen im Einzelfall angesichts des Vorteils des Behindertentestaments gewünscht sind.

Das nachfolgende Testament stellt eines der vorhandenen Muster dar, die nicht verwendet werden sollten und wenn es verwendet wurde, umgehend zu korrigieren ist:

Behindertentestament (.pdf, 50 KB)