§ 2227 BGB: Entlassung des Testamentsvollstreckers

Gesetzestext:

(1) Das Nachlassgericht kann den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.

(2) Der Testamentsvollstrecker soll vor der Entlassung, wenn tunlich, gehört werden.

Entscheidungen bayerischer Gerichte:

Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses als Entlassungsgrund

Übermittelt der Testamentsvollstrecker, der selbst zu Unrecht die Erbenstellung in Anspruch nimmt, den Erben trotz deren Mahnung und Fristsetzung kein Nachlassverzeichnis, so kann darin eine schuldhafte grobe Pflichtverletzung liegen
(BayObLG, Urteil vom 18.07.1997).

Unzulängliche Auskunft als Entlassungsgrund

Ein wichtiger Grund für die Entlassung kann darin liegen, dass der Testamentsvollstrecker auf mehrere Ersuchen des Erben um Auskunft und Rechnungslegung nicht antwortet und statt dessen nur unzulängliche Auskunft über den Nachlass erteilt
(BayObLG, Urteil vom 05.11.1987).

Interessensgegensatz als Entlassungsgrund

Ob ein Interessengegensatz einen wichtigen Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers gegen seinen Willen darstellt, kann nur nach Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles entschieden werden
(BayObLG, Urteil vom 13.08.1985).

Nichteinhaltung der Abrechnung als Entlassungsgrund

Dem Testamentsvollstrecker ist zur Erfüllung seiner Pflicht zur jährlichen Rechnungslegung gemäß § 2218 II BGB ein angemessener Zeitraum zuzubilligen. Für den Beginn einer vorwerfbaren Verzögerung ist nicht der Amtsantritt, sondern der Zeitpunkt maßgebend, in dem ein Erbe die jährliche Rechnungslegung verlangt
(BayObLG, Urteil vom 18.12.1997).

Der Entlassungsgrund der groben Pflichtverletzung i. S. des § 2227 BGB kann gegeben sein, wenn der Testamentsvollstrecker den Erben kein Verzeichnis nach § 2215 I BGB mitgeteilt, aber ein alle wesentlichen Nachlasswerte umfassendes Nachlassverzeichnis beim Nachlassgericht eingereicht hat
(BayObLG, Urteil vom 08.06.2001).

Nichteinhaltung von Zusagen als Entlassungsgrund

Wenn der zur Abwicklung des Nachlasses bestellte Testamentsvollstrecker sich anlässlich der Anhörung im Rahmen eines Entlassungsverfahrens gegenüber den Erben zur Klärung der Sachlage zu bestimmten, ihm als Testamentsvollstrecker obliegenden Leistungen verpflichtet und hält er diese Vereinbarung nicht ein, so kann darin ein wichtiger Grund für die Entlassung liegen
(BayObLG, Urteil vom 05.02.1999).

Auch wenn in der Person des Testamentsvollstreckers ein wichtiger Grund i. S. des § 2227 I BGB zu seiner Entlassung vorliegt, können überwiegende Gründe für das Verbleiben des Testamentsvollstreckers im Amt sprechen. Dabei sind die Interessen der Beteiligten und der mutmaßliche Wille des Erblassers sachgerecht abzuwägen. Für das Verbleiben des Testamentsvollstreckers im Amt kann von Bedeutung sein, dass der Testamentsvollstrecker an dem einen wichtigen Grund i. S. des § 2227 I BGB darstellenden Verhalten nicht mehr festhalten will und der Nachlass im wesentlichen abgewickelt ist
(BayObLG, Urteil vom 07.12.1999).

Vertretbare Testamentsauslegung beim Entlassungsgrund

Vertritt ein Testamentsvollstrecker in einer strittigen Auslegungsfrage eine ihm als Vermächtnisnehmer günstige Testamentsauslegung, so begründet das nicht schon für sich genommen einen seine Entlassung rechtfertigenden Interessengegensatz zwischen ihm und dem Erben; maßgeblich sind vielmehr auch hier alle Umstände des konkreten Einzelfalls
(BayObLG, Urteil vom 11.07.2001).

Eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 2227 BGB liegt vor, wenn der Testamentsvollstrecker, der durch Verwaltungsanordnungen im Testament zum Erhalt des Grundbesitzes verpflichtet ist, dennoch ein inländisches Grundstück verkauft, ohne zuvor einen Antrag nach § 2216 II Satz 2 BGB gestellt und ohne vorher den Erben unterrichtet und angehört zu haben
(BayObLG, Urteil vom 30.09.1999).

Das Amt des Testamentsvollstreckers ist mit der Erledigung aller ihm zugewiesenen Aufgaben beendet. Ein Entlassungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt, wenn das Amt des Testamentvollstreckers beendet ist. Eine Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sich die Hauptsache bereits vor Erlass der angefochtenen Entscheidung erledigt hatte
(BayObLG, Urteil vom 29.06.1995).

Hat das Nachlassgericht auf Antrag einzelner Miterben den Testamentsvollstrecker entlassen und das LG diese Entscheidung aufgehoben, so sind auch die übrigen Miterben berechtigt, gegen die landgerichtliche Entscheidung sofortige weitere Beschwerde einzulegen, wenn sie diese auf den Lebenssachverhalt stützen, der auch dem Entlassungsantrag zugrunde liegt. Hat ein zum Testamentsvollstrecker ernannter Miterbe unmittelbar nach dem Tod des Erblassers, aber noch vor der Annahme des Testamentsvollstreckeramtes, aufgrund einer wenige Tage vor dem Erbfall erteilten Generalvollmacht zum Zweck der Abwicklung ein überschuldetes Handelsgeschäft des Erblassers, aber auch ein Grundstück, dessen Wert die Geschäftsschulden erheblich übersteigt, auf sich übertragen, kann das sich hieraus ergebende Misstrauen der Miterben die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der zum Testamentsvollstrecker ernannte Miterbe behauptet, entsprechend den zwischen ihm und dem Erblasser getroffenen Absprachen gehandelt zu haben, das Bestehen derartiger Absprachen aber nicht mehr aufgeklärt werden kann
(BayObLG, Urteil vom 11.04.1995).

Feindschaft als Entlassungsgrund

Besteht bei einer Dauervollstreckung ein vom Testamentsvollstrecker mit verursachtes Misstrauen des Erben und eine tiefgreifende persönliche Feindschaft, so kann dies bei einem vorhandenen Interessengegensatz die Entlassung des Testamentsvollstreckers begründen. Das Nachlassgericht darf sich nicht auf vorgebrachte Entlassungsgründe beschränken; es hat vielmehr den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln sowie den vorgetragenen und festgestellten Sachverhalt unter allen Gesichtspunkten zu würdigen, die als Entlassungsgrund in Betracht kommen
(BayObLG, Urteil vom 24.02.1988)

Entscheidung sonstiger Gerichte

Eigennützige Testamentsauslegung als Entlassungsgrund

Unterbreitet der Testamentsvollstrecker den Erben konkrete Vorschläge zu einer im Testament ausgeschlossenen Nachlassauseinandersetzung, so liegt darin eine seine Entlassung aus dem Amt rechtfertigende grobe Pflichtverletzung auch dann, wenn die Erben ihn zur vorzeitigen Auseinandersetzung gedrängt hatten. Die Unterbreitung eines in hohem Maße eigennützigen Auseinandersetzungsvorschlags stellt eine grobe Pflichtverletzung und damit einen wichtigen Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers dar. Bei Vorliegen wichtiger Gründe für eine Entlassung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu überprüfen, ob gleichwohl überwiegende Gründe für ein Verbleiben des Testamentsvollstreckers im Amt sprechen
(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.09.2004).

Die Erben können eine Abberufung des Testamentsvollstreckers, selbst dann, wenn diesem kleinere Verfehlungen zur Last fallen, nicht verlangen, wenn sie dem Testamentsvollstrecker von vornherein keine Chance gegeben haben, sein Amt unter vernünftigen Bedingungen anzutreten und es ordnungsgemäß auszuüben. Ein Testamentsvollstrecker muss sich nach Übernahme seines Amtes umfassend Kenntnis über den zu verwaltenden Nachlass verschaffen. Hierzu gehört indes nicht zwingend die Kenntnis solcher Nachlassunterlagen, die jahrelang zurückliegen und für die die künftige Verwaltung des Nachlasses keine Rolle spielt
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.1999).

Die Entlassung eines Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund ist eine Ermessensentscheidung; das Nachlassgericht hat dazu sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalles gegeneinander abzuwägen
(OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.09.1998).

Ein Testamentsvollstrecker kann bei Feststellung eines Entlassungsgrundes nur nach zusätzlicher Ermessensausübung entlassen werden, die vom Rechtsbeschwerdegericht bei geklärtem Sachverhalt nachgeholt werden kann
(OLG Oldenburg, Urteil vom 17.03.1998).

Legt der Testamentsvollstrecker den an ihn ausgezahlten Betrag aus einer Lebensversicherung, für die der Erblasser die allein erbende Tochter als Bezugsberechtigte bestimmt hatte, in der Weise an, dass er diesen Betrag sich selbst als verzinsliches Darlehen gewährt, so kann das hieraus sich ergebende Misstrauen der Erbin die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertigen
(OLG Frankfurt, Urteil vom 06.02.1998).

Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers erstreckt sich nicht auf die Vorfrage, ob eine Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin angeordnet war. Hat die Erblasserin erkennbar eine Dauervollstreckung gewollt und fällt der ernannte Testamentsvollstrecker durch Entlassungen gemäß § 2227 I BGB weg, so führt eine ergänzende Testamentsauslegung zu dem Ergebnis, dass die Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers dem – mutmaßlichen – Erblasserwillen entspricht
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.1998).

Die Entscheidung darüber, ob ein wichtiger Grund für die Entlassung eines Testamentsvollstrecker vorliegt, ist eine Ermessensentscheidung, die eine Tat- und Rechtsfrage betrifft und daher nur eingeschränkt im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüfbar ist. Ein Verstoß gegen das damit korrespondierende Erfordernis einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichenden Begründung der Beschwerdeentscheidung nötigt regelmäßig zur Aufhebung und Zurückverweisung (OLG Oldenburg, Urteil vom 27.10.1997).

Bestandteile des Nachlassverzeichnisses

Der Testamentsvollstrecker hat in das von ihm zu errichtende Nachlassverzeichnis auch solche Gegenstände und Verbindlichkeiten aufzunehmen, deren Zugehörigkeit zum Nachlass zweifelhaft oder bestritten ist; ein Verstoß gegen diese Pflicht kann die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertigen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.08.1997).

Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses als Entlassungsgrund

Die Nichtvorlage eines Nachlassverzeichnisses durch den Testamentsvollstrecker stellt nicht in jedem Fall einen wichtigen Grund zu seiner Entlassung dar. Voraussetzung ist vielmehr, daß die unterlassene Übermittlung zu einer ernstlichen Gefährdung der Interessen des Erben führt. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Testamentsvollstreckers, ob er ein auseinanderzusetzendes Nachlassgrundstück versteigern lassen oder freiwillig verkaufen will. Allein der Umstand, dass sich der Testamentsvollstrecker dabei zu einem Verkauf unter Verkehrswert entschließt, muss noch keine zur Entlassung führende Pflichtverletzung darstellen
(OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.01.1997).

Der Testamentsvollstrecker hat in das von ihm zu errichtende Nachlassverzeichnis auch solche Gegenstände und Verbindlichkeiten aufzunehmen, deren Zugehörigkeit zum Nachlass zweifelhaft oder bestritten ist; ein Verstoß gegen diese Pflicht kann die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertigen
(LG Freiburg, Urteil vom 11.09.1996).

Die Kosten eines wegen erheblicher Pflichtverletzungen betriebenen Entlassungsverfahrens kann ein Testamentsvollstrecker nur erstattet bekommen, wenn er das Verfahren ausnahmsweise für erforderlich halten durfte, um den Erblasserwillen zu verteidigen
(OLG Oldenburg, Urteil vom 26.09.1995).

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert es, in einem Verfahren über den von einzelnen Miterben gestellten Antrag, den Testamentsvollstrecker zu entlassen, sämtlichen weiteren Miterben Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Umstand, dass die in das Amt des Testamentsvollstreckers berufene Person zu einem zurückliegenden Zeitpunkt die eidesstattliche Versicherung zur Offenbarung ihrer Vermögensverhältnisse abgegeben hat, reicht allein nicht ohne weiteres aus, um einen wichtigen Grund i. S. des § 2227 I BGB bejahen zu können. Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Würdigung aller Umstände im Hinblick auf eine objektive Gefährdung der Interessen der Erben
(OLG Hamm, Urteil vom 21.10.1993).

Zu den Voraussetzungen, unter denen die verzögerte Erstellung des Nachlassverzeichnisses als grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers, die seine Entlassung durch das Nachlassgericht rechtfertigen kann, angesehen werden kann
(OLG Köln, Urteil vom 25.11.1991).

Unternehmerische Entscheidungen eines Testamentsvollstreckers, zu dessen Aufgaben die Verwaltung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört, können im nachlassgerichtlichen Entlassungsverfahren nur in eingeschränktem Umfang nachgeprüft werden
(BayObLG, Urteil vom 20.06.1990 – BReg. 1a Z 19/89, NJW-RR 1990, 1420).

Hat das LG das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Entlassung eines Testamentsvollstreckers wegen pflichtwidriger Honorarentnahmen verneint, dann ist die Würdigung der tatsächlichen Umstände durch das LG nur beschränkt überprüfbar, weil das Gericht der weiteren Beschwerde sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Beschwerdegerichts setzen darf
(OLG Köln, Urteil vom 05.10.1987).

Übermaßentnahme des Testamentsvollstreckers als Entlassungsgrund. – Es ist rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht die vom Erben gerügte grobe Pflichtverletzung verneint, ohne auf die konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umstände einzugehen
(OLG Köln, Urteil vom 18.05.1987).